Die Schule blüht auf
Die Jahre nach der Reichsgründung 1870/71 werden oft als Gründerjahre bezeichnet, da die Industrie erstarkte und viele Fabriken neu gegründet wurden. In Lennep entstand 1878 die Kammgarnfabrik, die viele Arbeiter katholischer Konfession aus den östlichen Staaten holte. Damit wuchs die Schülerzahl der katholischen Schule sprunghaft an.
1881 wurde die Einrichtung einer vierten Klasse genehmigt, die evangelische Schule zog aus dem Schulhaus aus; 1890 wurde die Schule fünf-, 1894 sechs-, 1901 sieben-, 1906 achtklassig. Damit war sie eine vollausgebaute Schule. Die Schülerzahl war von 248 im Jahre 1881 auf 429 im Jahre 1900 bis zu 546 im Jahre 1914 gestiegen. Das bedeutete natürlich wieder Raummangel. Man war gezwungen, Schüler, die das Lernziel erreicht hatten, vor Beendigung der Schulpflicht zu entlassen. Schüler von außerhalb, z.B. Durchsholz, Überfeld, Lüttringhausen usw., die immer zahlreich gekommen waren, konnte man nur noch begrenzt aufnehmen. Es wurde Schichtunterricht in vier Räumen durchgeführt. Dann aber baute die Stadt in den Jahren 1895/96 den Neubau an der Mühlenstraße mit vier Klassenräumen und zwei Wohnungen im Dachgeschoß. Er wurde mit dem alten Schieferhaus durch Toilettenanlagen verbunden. Auch das alte Schulhaus wurde renoviert und umgebaut zu zwei Klassenräumen und zwei Lehrerwohnungen. Dieses Mal war alles ohne Komplikationen verlaufen. Am 5. Juni 1896 wurde die Schule in einer Feier eingeweiht im Beisein der Behörde, der Geistlichkeit und der Freunde der Schule. Das Lenneper Kreisblatt brachte darüber einen schönen Bericht. Fünf Jahre später musste man aber schon wieder Räume beschaffen, aus den Lehrerwohnungen im Altbau wurden 1901 bzw. 1906 wieder Klassenräume. 50 bis 70 Schüler waren damals der Klassendurchschnitt. Ab 1890 gingen dann die Lehrer zum Religionsunterricht nach Durchsholz, Lüttringhausen und Hohenhagen, um den Kindern den weiten Weg in die ohnehin überfüllte Schule zu ersparen.
Schulleiter in dieser bewegten, aufbauenden, aber auch kräftezehrenden Zeit war Hermann Joseph Akens, ein Mann, den Bürgermeister Sauerbronn als einen der herausragendsten Lehrer Lenneps bezeichnete. Sein Fleiß, seine Leistung und sein Einsatz für die Schule werden immer wieder gelobt. Auch war er hochmusikalisch. Er gründete einen Schulchor, der auch bei öffentlichen Festlichkeiten mitwirkte, er leitete den Kirchenchor und spielte die Orgel. Pfarrer Scholl widmete ihm ehrende Worte in der Pfarrchronik, da er so viel zur Verschönerung des Gottesdienstes beigetragen habe. Sein musikalisches Wirken war über Lenneps Grenzen hinaus bekannt. Akens war 1867 als Nachfolger von Joseph Dübbers gekommen, war 1872 zum Hauptlehrer befördert worden und trat 1904 im Alter von 66 Jahren in den Ruhestand, da seine Kräfte erschöpft waren.
Auch die Zahl der Lehrer war natürlich größer geworden. Es ist erfreulich, dass es gelungen ist, die Namen aller Lehrer, die von 1804 an der katholischen Volksschule tätig waren, in der Festschrift verzeichnen zu können, ältere Leser werden sicher noch Erinnerungen mit manchen Namen verbinden. Auch die Namen der Hausmeister, die sich durch ihre tägliche mühevolle Arbeit um die Schule verdient gemacht haben, sind in unserem Verzeichnis zu finden.
1904 übernahm dann Lehrer Johannes Schmitz, der bereits seit 1890 zum Kollegium gehörte, die Leitung der Schule. Auch er wirkte als Organist und Chorleiter in der Gemeinde und führte auch die Tradition des Schulchors fort. Seine sorgfältige Führung der Schulchronik lässt uns einen Blick tun in die fachlichen Leistungen der Volksschule.
Wie schon zur Zeit des Lehrers Moll fanden auch jetzt jährliche Prüfungen der Entlassschüler statt vor einer Kommission, an deren Spitze der Ortsschulinspektor, damals Pfarrer Schönen, stand. Diese Prüfungen gab es bis zum Ende des ersten Weltkriegs. Zinseszins-, Prozent- und Bruchrechnung, Ziehen von Quadrat- und Kubikwurzeln, Berechnung von Rauminhalten besonderer Körper wie z. B. eines Fasses, Berechnung des Auftriebs eines Zeppelins je nach Füllgas, Schwierigkeiten bei der Interpunktion in Diktaten – die Anforderungen waren erstaunlich hoch. Die Aufsatzthemen bezogen sich entweder auf die Lektüre des „Wilhelm Tell“ oder sie verlangten bestimmte Sachkenntnisse aus Geographie und Naturlehre, z.B. über den Blitzableiter. Auch bürgerliche Tugenden wie Sparsamkeit, Ehrlichkeit, Gesundheitspflege sollten beschrieben werden. Eine mündliche Prüfung, bei der Lesefertigkeit, Textverständnis, Wissen in Religion und Sachfächern verlangt wurde, schloss sich an. Die besten Schüler erhielten Prämien aus der so genannten Dellweg-Stiftung, die Frau Elisabeth Dellweg, die Haushälterin des verstorbenen Pfarrers Rinck, 1835 der Schule gemacht hatte. Sie betrug 200 Taler und trug bis nach dem ersten Weltkrieg Zinsen.
1909 wurde eine neunte, 1913 eine zehnte Klasse eingerichtet. Um die Raumnot zu beheben, erstellte die Stadt auf dem kleinen Schulhof einen Anbau, der aber nicht unterkellert und deshalb immer fußkalt war. Neue Fächer waren in dieser Zeit Mädchenturnen und Hauswirtschaft.